Mein Jahr als Ottakringer…
Ottakring. XVI. Über die Grenzen Wiens für sein gutes Bier bekannt. Heimat des ältesten Heurigen der Hauptstadt. Multikulturelles Pflaster.
Ottakring ist ein einmaliger Bezirk. Grund dieses Blogeintrages ist den 16. Wiener Gemeindebezirk in ein besseres Licht zu rücken. Zu viele Menschen schätzen diesen Bezirk falsch ein. Unzählige Nichtottakringer verteufeln und beschmutzen diesen Bezirk mit grässlichen Anschuldigungen, mit welchen ich aufräumen möchte.
Mehr als ein Jahr meines jungen eigenständigen Lebens in Wien, habe ich im 16. Bezirk verbracht. Nach Ottakring zu ziehen war für mich genau so eine Option wie nach Simmering oder in die Josefstadt zu ziehen. Es war im ersten Affekt keine ausgesuchte Entscheidung. Wesentlich war für mich die erste eigene Wohnung in der ich leben und mir meine Existenz aufbauen kann. Die Wohnung soll mir auf den ersten Blick sofort gefallen und der Preis soll mich nicht finanziell ruinieren.
Ich habe mir also die Wohnung in der Wichtelgasse angesehen. Es war Liebe auf den ersten Blick. Dachgeschoss. 38,9m². Genau richtig für einen jungen Menschen wie mich. Ich habe mich eingerichtet. Meine eigenen vier Wände waren mir schnell vertraut. Ungewöhnlich schnell entwickelte sich für mich dieses Heimatgefühl. Schon beim ersten Besuch in meiner alten Heimat Kärnten, sprach ich schon davon, dass ich wieder Nachhause, also nach Wien in meine Wohnung fahre.
Nachdem ich mit meiner Wohnung vertraut war, war es an der Zeit vor die Haustüre zu treten. Meine neue Heimat gehört erkundet und kennengelernt. Schließlich sollte man den Ort an dem man lebt, welchen man seine neue Heimat nennt, auch in gewisser Weise kennen. Wo kann man gut essen? Gemütlich ein Glaserl trinken gehen? Was Bietet mir mein Bezirk?
Zu Fuß machte ich mich auf große Erkundungstouren durch Ottakring. Der Frühling und der herannahende Sommer machten lange Spaziergänge zum Vergnügen für zwischendurch. Schnell fiel mir auf, dass in Ottakring viele Menschen verschiedenster Nationalitäten und Hintergründe leben. Ein ungewohntes Bild für einen Neowiener. Natürlich gab es in Kärnten auch einige Menschen mit Migrationshintergrund, aber niemals in dieser Fülle wie in Ottakring.
Nichts was mich stört. Im Gegenteil. Ich war neugierig. Hürpas hier, Falafel da! Brunnenmarkt in Neulerchenfeld, polnische Lokale auf der Ottakringer Straße. Trotz dieser starken Multikulturalität störte es keinesfalls das Altwiener Bild dieses Bezirkes. Alles fügt sich wunderbar in das Ottakringer Bild ein.
Die Menschen sind alle freundlich. Nett. Ungewohnt. Viele Nichtwiener sprechen immer von grantigen Wiener Originalen. Die ständig nur raunzen und Kraftausdrücke verwenden. Klar. Diese Art von Menschen hab ich auch getroffen. Niemals sind sie in der Mehrheit.
Nicht jeder neue Österreicher in Ottakring aber sehr Viele sprechen einwandfrei Deutsch. Wie jeder andere Wiener auch. Man kann mit Ihnen durchaus gehobenere Gespräche führen. Jeder Grüßt wie ein Wiener. „Grüß Gott!“ und „Fiederschaun!“, sei es vielleicht ein wenig gebrochen, sind eindeutig österreichische Grußformeln, welcher sich jeder Österreicher bis hin zum Jugendlichen mit pakistanischen Eltern bedient.
Egal ob Tagsüber oder in der Nacht. Ottakring ist keine New Yorker Vorstadt. Wo man auf offener Straße bedroht oder gar angeschossen wird. Interkulturelle Scharmützel gibt es. Die gibt es genau so in anderen Bezirken, welche sich der Meinung einiger als so genannte „Nobelbezirke“ deklarieren auch.
Genannte Konflikte werden im kleinen Kreise ausgefochten. Klar rückt dann und wann auch die Polizei aus. Niemals werden dabei Dritte oder Personen die damit Garnichts zu tun haben mit rein gezogen.
Oft ging ich Nachts durch einsame dunkle Gassen. Um 03:45 Uhr durch die Kirchstettengasse, um kurz nach 22 Uhr mal über die ach so gefährliche Hasnerstraße. Mag sein, dass ich ein Mann bin, dennoch kein Herkules oder unbezwingbarer Hüne. Genausogut hätten mich dunkle Gestalten in einsamen Gassen überfallen können. In einem ganzen Jahr ist mir nie etwas in dieser Art passiert. Ganz im Gegenteil. Das Nachtleben des Bezirkes ist ruhig. Hin und wieder ein Taxi. Ein Autofahrer, welcher mit 100 km/h über die Thaliastraße Stadtauswärts brettert. Gibt es anderswo auch. Beispielsweise über die Gumpendorfer Straße, welche bis in die Innere Stadt führt.
Man muss sich auf Ottakring einlassen können. Die innere Engstirnigkeit abstellen. Offen für neues sein. Ja, Ottakring ist, wie ich anfangs erwähnte ein multinationales Pflaster. Wenn man mit einer Nationalen Grundeinstellung nach Wien ziehen will oder gar nach Ottakring, ist man mehr als fehl am Platz. Ottakring, um nicht zu sagen ganz Wien, ist Multinational. Die Stadt besteht nicht mehr nur aus grantigen Wienern und verrauchten Beiseln in denen der Herr Ober mit dem Mascherl um den Hals den Hofknicks macht. Es gibt viele Märkte mit Spezialitäten aus fernen Welten. Lokale auf denen kein Wiener Schnitzel sondern Köfte und Tzatziki auf den Speisekarten zu finden sind.
Inländisch bietet der 16te einiges. Ottakring war, bevor es ein Bezirk Wiens wurde, eine eigenständige Gemeinde. Es bestand zum Großteil aus Beiseln. Aus dem einfachen Grund, weil die Steuer für den Ausschank von Getränken in der Stadt Wien sehr hoch war. Deshalb kamen viele Wiener immer nach Ottakring um ihren Durst billig zu stillen. Aus dieser Tradition entstammen nicht nur die heutige Ottakringer Brauerei, sondern auch einige Heurige. Der älteste Heurige, die „10er Marie“, findet sich in Alt Ottakring. Vis a vis der Alt Ottakringer Pfarrkirche. Kulinarische Köstlichkeiten aus zünftigen Kesseln bietet der Grünspan am Fuße des Wilhelminenberges.
Der Wilhelminenberg ist bis heute für mich eine Oase der Ruhe. Mit dem Steinhofareal und den unzähligen Lauf und Wanderwegen durch die Wälder. Die Jubiläumswarte habe ich fast einmal wöchentlich im Zuge meiner Laufausflüge besucht und erklommen. Der Ausblick über die Stadt ist einmalig.
Ottakring bietet alles, was meine Bedürfnisse benötigen. Multikulturelle und zünftig urige Inländische kulinarische Angebote. Ein reges Nachtleben. Ideale öffentliche Anbindung zu anderen Bezirken sowie zur Innenstadt. Die Wohngegenden sind sehr ruhig und multinational. Meine Nachbarn in Ottakring waren zumeist alle aus Polen oder dem ehemaligen Jugoslawien. Alle sehr ruhige und solidarische Zeitgenossen.
Der 16. Gemeindebezirk ist schön. Ich habe ihn sehr gemocht und finde mich auch heute regelmäßig in ihm wieder, um auf alles was er bietet zurückgreifen zu können. Jeder der diesen Bezirk grundlos beschmutzt, hat mit äußerst hoher Wahrscheinlichkeit niemals in ihm gewohnt. All jenen lege ich ein Jahr in Ottakring nah. Man entwickelt eine unermessliche Offenheit und ein Gespür für den multinationalen Touch Wiens.
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