Nicht nur Flüchtlinge sind FPÖ Motor

In 3 Tagen schaut alles nach Wien. Wiener Landtags- und Gemeinderatswahlen. Überall liest man vom Duell. Und ja. Es ist ein Duell zwischen Häupl und Strache. Doch wieso? Kann man den Erfolg nur mit der Flüchtlingsfrage beantworten oder steckt mehr dahinter? Meine kleine Analyse.

1.143.045 Personen entscheiden am kommenden Sonntag (11.10.2015) darüber, wer die Hauptstadt in den kommenden 5 Jahren regieren wird. Wie bei der letzten Wahl auch, wurde ein Duell zwischen dem amtierenden Bürgermeister Michael Häupl und dem Freiheitlichen Herausforderer Heinz-Christian Strache ausgerufen. 2010 ein Duell das im Endeffekt keines war. Im Endergebnis stand Häupl zwar mit Verlusten (44,34% / -4,75%) als Sieger, deutlich vor HC Strache, welcher Zugewinne verzeichnen konnte (25,77% / +10,94%) fest. Die Wahlbeteiligung betrug 67,63%. Recht niedrig aber nichts Neues in Wien, da es seit 1983 (85,18% Wahlbeteiligung) keine Wahlbeteiligung über 70% gab.

Schon bei der letzten Wahl konnte die FPÖ mit dem Spitzenkandidaten HC Strache Zugewinne verbuchen. Laut den Wahlforschern scheint auch bei dieser Wahl ein Zugewinn für die FPÖ mehr als möglich. Sieht man sich die letzten Ergebnisse der Wahlumfragen, gelistet auf der Internetseite neuwal.com an, so wird sichtbar, dass laut Umfragen ein Zugewinn zwischen 8 und 10 Prozent prognostiziert wird. Wenn man diesen Prognosen Glauben schenkt, so kann man davon ausgehen, dass der Zugewinn für HC Straches FPÖ geringer ausfallen wird als im Jahr 2010. Nichts desto trotz wird die FPÖ an die bisher stimmenstärkste Sozialdemokratische Partei (SPÖ) aufrücken können. Daher kann man von dieser Wahl durchaus von einem realistischen und glaubwürdigen Duell ausgehen.

Die Frage die sich stellt ist eindeutig. Wie kommt es, das eine politische Partei wie die FPÖ, welche einen äußerst populistischen Charakter vertritt, Verbindungen zu Rechtsradikalismus aufweist und medial auch eher schlecht bewertet wird, sich in einem so starken Vorwärtstrend befinden kann?
Trend ist in diesem Falle sogar ein gutes Stichwort. In erster Linie kann man ganz klar einen Trend erkennen, den sich die Freiheitlichen und vor allem Straches Rhetorik zu nutzen machen kann. Die Flüchtlingsthematik. Ein Punkt der, wie es das Schicksal wollte, zeitnah und im passenden Jahr seinen Höhepunkt erreicht. Obwohl die Flüchtlingsthematik schon seit dem Bürgerkrieg und der mittlerweile hegemonialen Stellung des Islamischen Staates in Syrien vor mehr als einem Jahr aufgekommen ist, konnten sich erst jetzt mit der drastischen Zuspitzung die Demagogen dieses Themas glaubwürdig zu nutzen machen. Frei nach dem Motto, aus den Augen aus dem Sinn, war es schwierig die Flüchtlingskrise zu nutzen bevor die Flüchtlinge tatsächlich Österreich erreichten. Ertrinkende Menschen im Mittelmeer sind weiter weg und unerreichbarer als Menschenmassen an den Wiener Bahnhöfen.

Jedoch war dies kein Selbstläufer. Die ersten Flüchtlingsströme erreichten das Land bereits im Frühjahr 2015. Ein Zeitpunkt in dem die Wiener Wahl noch fern erschien. Auf der medialen Tagesagenda waren die Lager in Traiskirchen, Linz und St. Georgen im Attergau. Vor allem wurde das Fehlverhalten der Zuständigen Minister sowie der Regierung thematisiert. Eine Umfrage am 17. April diesen Jahres für Wien zeichnet dabei noch ein anderes Bild. Ein Bild das kein Duell vorhersagt. Da kam es noch nicht zur Zuspitzung der Flüchtlingssituation. Jedoch war dies ein Zeitpunkt in dem das Fehlverhalten der Regierung im Umgang mit der Flüchtlingsthematik der Freiheitlichen Partei nicht nur auf Bundes-, sondern vor allem auf Wiener Landesebene zu nutzen geworden ist. Einen guten Verlauf dieser Entwicklung zeigt DIESE Grafik von Laurenz Ennser-Jedenastik. Kombiniert man diese Grafik mit der immerwährenden Zuspitzung der Flüchtlingsthematik bis hin zum aktuellen Datum, wird auch dieses Ergebnis nachvollziehbar.

Es kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass die Flüchtlingsthematik mit Sicherheit eione Implikation ist, mit welcher der Erfolg und Stimmenzuwachs der Freiheitlichem am kommenden Wahlsonntag zu erklären sein wird. Eine tiefergehende Betrachtung, dabei stütze ich mich auf die Thesen von Chantal Mouffe (Aus dem Buch „Über das Politische. Wider der kosmopolitischen Illusion.“, 2007), eröffnet schließlich ein anderes Bild in dem die Flüchtlingsthematik eingebettet ist.

Chantal Mouffe erklärt den Erfolg von populistischen Parteien mit dem nicht vorhanden sein von lebendigen Antagonismen in der politischen Sphäre eines Landes. Entsprechend kann man in Österreich von der jahrelangen Konkordanzpolitik sprechen. SPÖ und ÖVP alias die Große Koalition. In der Geschichte der Zweiten Republik lediglich drei Mal unterbrochen worden. Seit Anbeginn dieser Politsymbiose näherten sich die Parteien inhaltlich an. Ein Kuschelkurs auf Kosten der eigenen Werte und damit der Stammklientel. Bezugnehmend auf Mouffe also ein Ausbleiben eines lebendigen Antagonismus bzw. wie sie es formuliert Agonismus. Daher fühlten sich Menschen nicht mehr angesprochen. Wieso sollte ich eine Partei wählen die sich mit meinem Feind „auf ein Packl haut“. Oder. Wieso sollte ich als Arbeiter eine Partei wählen, welche sich als Genosse der Industriellen gebärdet.

Dieses fehlen der Unterscheidbarkeit innerhalb der Politik machte es den populistischen Kräften leicht. Es bedarf einer guten Rhetorik und den richtigen Themen. Jörg Haiders Kampf gegen Ausländer und das GroKo-Establishment oder HC Straches Flüchtlingsthema und das Anprangern der Fehler der Regierung. Die Namen ändern sich, die vorgangsweise bleibt dieselbe.

Entsprechend kann für Wien nicht nur die Flüchtlingsthematik als entscheidender Faktor postuliert werden, sondern vielmehr das Ausbleiben einer tieferliegenden Unterscheidbarkeit zwischen den etablierten Parteien. Konsens und Kompromiss sind nicht nur, wie es uns die Vergangenheit mit SPÖVP gezeigt hat, ein Hemmschuh für eine lebendige demokratische Konfrontation, sondern vor allem fruchtbarer Boden für Demagogie und Populismus.

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