Mit offenen Augen durch die Stadt.
Es ist schon eine Zeit lang her, dass ich mich zuletzt zu Fuß aufgemacht habe um die Gegend zu erkunden. Diesmal ging es durch den 14. und Teile des 16. Bezirks. Eine Wanderung zwischen Lokalkolorit, Kultur und Natur.
Manch einer beäugt mich immer etwas komisch wenn ich erzähle, dass ich zu Fuß durch die Gegend gehe. Ohne Ziel. Ohne Halt. Die meisten sagen: „Heast, was willst in Wien herumgehen. Ist ja eh alles Beton und Verkehr.“ Schon seit ich Wien meine neue Heimat, was übrigens schon 3 Jahre der Fall ist, nennen darf, wandere ich durch die Stadt. Man entdeckt unheimlich viel. Lernt neues. Ich benenne es auch immer als Möglichkeit das Gehirn durchzulüften.
Entsprechend öffnete ich mein Hirnstüberl (Sinnbildlich gesprochen natürlich) und machte mich auf den Weg. Begonnen hat der Weg an der SBahn Station Breitensee. Ich ging die Hütteldorfer Straße in Richtung stadtauswärts. Die Hütteldorfer Straße an und für sich ist nicht speziell. Sie unterscheidet sich nicht groß von anderen längeren Straßenzügen die mehrere Bezirke durchlaufen. Zusätzlich war Sonntag, somit war auch das Treiben direkt an der Straße eher verhalten. Zwei kleine Jungs spielten am Gehsteig Fußball.
Nach einer guten halben Stunde bin ich in Baumgarten angekommen. An die Stelle, an welcher die Hütteldorfer Straße in die Linzer Straße mündet. Dichter Staub wird aufgewirbelt und lässt meine Augen tränen. Direkt an der Tram-Schleife Baumgarten beginnt der Bereich der Gleisbauarbeiten. Die Wiener Linien erneuern im Bereich zwischen der Station Baumgarten und der Station Rosentalgase die Gleise sowie deren Untergrund. Eine Skizze zu den Umleitungen ist HIER zu finden.
Ich gehe entlang der langen Baustelle. Ich sehe wie eine Kolonne weißere LKW’s im Baustellenbereich hält. Auf ihnen ist der Schriftzug der Wiener Linien zu sehen, Männer in orangenen Warnwesten hüpfen aus den Fahrzeugen. Sie jubeln sich zu. Machen sich Mut. Wer kann es ihnen verdenken. An Sonntagen in der Hitze zu stehen und schwere körperliche Arbeit zu verrichten, damit es hunderten von Menschen möglich ist die Straßenbahn gefahrlos und komfortabel zu nutzen. Ein harter Job, denke ich während ich meinen Weg Richtung Stadtgrenze weiter fortsetze.
An einer großen Kreuzung erblicke ich ein grünes Schild. „Otto-Wagner-Villa“. Es fällt mir wieder ein. Von ihr hatte ich gelesen. Sofort biege ich in die Hüttelbergstraße ein und verlasse die Linzer Straße. Der Gehweg in der Hüttelbergstraße ist holprig. Teils witterungsbedingt aufgebrochen oder von Wurzeln der Bäume durchsetzt. Ein anderes Wien zeigt sich. Der Verkehr wird etwas weniger.
Rechterhand taucht sie auf. Zuerst das Ernst Fuchs-Museum wenige Schritte weiter, die Otto-Wagner-Villa. Ein Prunk. Jugendstil mitten im Grünen. Jenseits der vom selbigen geplanten Stadtbahnbrücken oder U-Bahn Stationen. Idyllisch ruhig wirkt der Bau. Epochal aber doch bürgernah. Ich halte kurz am Zaun inne. Ehe mir die Statue vor der Villa an.
Links-Rechts-Links-Rechts. Meine Beine tragen mich entlang des Halterbachs am Campingplatz Wien West und einer Reparatur- und Autoteilewerkstatt für US-Fahrzeuge vorbei. Ich erkenne erneut ein grünes Schild. „Jubiläumswarte“. Da ich der Warte schon längere Zeit keinen Beuch mehr abgestattet habe, entscheide ich mich rechts in die Ulmenstraße abzubiegen.
Die Ulmenstraße beginnt zu steigen. Wenige Meter ging ich sie entlang bis ich an der ersten Abzweigung stehe. „Balsaminengasse“. Die Balsaminengasse ist eine Gasse mit ziemlicher Steigung. Beim Anblick der Steigung packt mich die Motivation. Prompt bog ich in die Balsaminengasse und legte die ersten Meter und auch Höhenmeter hinter mich. Schweißperlen säumten meine Stirn. Umso weiter ich ging umso schlimmer wurde es. Nacheinigen Metern drehte ich mich kurz um. Die erste kleine Aussichtsmöglichkeit. Nach ca. 12 Minuten war ich am Ende der Balsaminengasse angelangt und setzte den Weg auf der Ulmenstraße fort.
Mehrere Kehren der Ulmenstraße begleiten mich Plakate, Transparente und aufgeklebte A4-Zettel. Auf Ihnen, mal auf Wienerisch, mal Russisch oder Chinesisch nur eine Forderung. „Gelbe Linie? Nein, Danke!“ Dies war auf fast jedem Gartenzaun oder jeder Hauseinfahrt zu lesen. Sofort wird mir klar, dass es um die gelbe Linie am Rand des Gehsteiges in der Ulmenstraße geht. Was es bedeutet, kann ich erst, als ich wieder Zuhaue angekommen bin recherchieren.
Die gelbe Linie am Straßenrand ist als Ersatz für Park- und Halteverbotstafeln angedacht. Ist eine solche gelbe Linie in einer Straße angebracht, gilt dort ein Park- und Halteverbot. Dies scheint den Anrainern der Ulmenstraße ganz und gar nicht zu schmecken. Entsprechend gab es sogar eine Demonstration gegen diese gelbe Linie. Ein spannender Fall. Ich bin gespannt wie die Politik damit umgeht und ob die Ulmenstraße auf Dauer eine Straße mit Park- und Halteverbot bleibt.
Etwas erschöpft erreiche ich das Ende der Ulmenstraße und auch der gelben Linie. Der Gehweg ist zu Ende und ich gehe weiter am rechten Straßenrand den Pelzer Rennweg entlang, bis ich vor der Jubiläumswarte stehe. Ich nehme einen kurzen Schluck am Brunner, welcher sich am Fuße des Turmes befindet. Nach schier unzähligen Stufen erreiche ich die 31 Meter Hohe Aussichtstereasse der Warte. Ein Ausblick der mich jedes Mal umhaut. Man sieht tief in den Wienerwald und hat einen Blick über die ganze Stadt. Ich setze mich kurz hin und lausche den anderen Besuchern beim Fachsimpeln über die einzelnen Gebäude der Stadt.
Nachdem ich den Turm wieder verlassen habe, habe ich mich dazu entschlossen den Stadtwanderweg 4a zu folgen. Dieser führt über mehrere Trampelpfade an Wiesen vorbei und ruhigen Waldstücken hindurch. Schließlich mündet er in die Savoyenstraße und biegt kurz vor dem Austria Trend Hotel am Schloss Wilhelminenberg nach links ab. Nahezu direkt an der Savoyenstraße tauchte eine Kapelle auf. Was aussah wie eine Kapelle, entpuppte sich als Mausoleum. In ihm, so die Infotafel am Zaun des Mausoleums, liegen Wilhelmine von Montléart und ihr Mann Moritz von Montléart-Sachsen-Curland. Das Ottakringer Wilhelminenspital ist nach ihr, Wilhelmine von Montléart, benannt worden.
Der Standwanderweg 4a führt mich hinunter an den Weingärten und einem Heurigen vorbei in den Sprengersteig. Von da an geht es bergab in die Wilhelminenstraße bis hin zur Kreuzung mit er Sandleitengasse. Von dort an mache ich mich auf den Heimweg.
Erneut konnte ich viel Interessantes und Aktuelles über die Stadt und das Leben in ihr lernen. Die ganze Tour dauerte etwas weniger als vier Stunden. Ich empfehle definitiv geschlossenes Schuhwerk und eine gute Puste.
Kommentare
Nach dem ich nunmehr 2,5 Jahre in Wien lebe, konnte ich den Ausblick von der Jubiläumswarte bereits des öfteren genießen... Danke Sascha für deinen Beitrag da ich vor allem den 14. Bezirk noch nicht in Richtung Jubiläumswarte gegangen bin... werde mich demnächst auf den Weg machen...